Amuri kam mit einem wuscheligen roten Haarschopf zur Welt und erfreute ihre jungen Eltern schon im Alter von wenigen Monaten mit den ersten Ungewöhnlichkeiten (anno 987). So brabbelte sie von „Papapapa!!“, noch bevor er zur Tür reinkam und brachte es irgendwie fertig, wenn sie richtig wütend war, kleine Tiere um sich zu scharen, die dann in gesammelter Stärke den Grund des Ärgernisses piesackten (erst waren es ameisen-, später ohrenkneifer- und schließlich maikäfergroße Wesen). Mit zunehmenden Alter prägten sich die seltsamen Kräfte weiter aus, und die Mitglieder der nivesischen Sairan-Hokke betrachteten es als offenes Geheimnis, dass man Amuri Vedaju besser nicht verärgerte, denn, oho oho, wer weiß, was sie einem sonst auf den Hals hetzen würde. Wegen ihrer Fähigkeiten war der Stamm fest entschlossen, sie, sobald die Zeit reif wäre, zu ihrem Kasknuk zu geben. Doch dazu kam es nie. Als Amuri 5 Jahre alt war, starben ihre Eltern an einer Krankheit. Ausgerechnet zu der Zeit war eine Gruppe Fremder zu Gast bei der Sippe gewesen, darunter eine Hexe namens Noraja Valerosa Tulabeni, die sich lange mit dem kleinen Mädchen unterhielt, es tröstete und nach einigen Stunden verkündete, sie werde dieses Kind mit in den Süden nehmen und es ausbilden, es werde ihm an nichts fehlen und ihr Entschluss stehe fest und sei unumkehrbar. Verdutzt blickten die Nivesen zwischen der Fremden und Amuri hin und her und erkannten, dass sie neben Amuris Eltern nun auch das kleine, rothaarige Mädchen verloren hatten. Amuri zog mit ihrer Ziehmutter nach Punin und lebte mal dort, mal in Weiden. Es ging ihr gut dort. Sie wurde von Noraja und ihrer Lehrmeisterin Alorunia zur Falkenhexe ausgebildet und wurde zur 7. Hexe des Bundes, der durch dieses neue Mitglied erst einen eigenen Zirkel gründen konnte - den ersten Zirkel der Falkenhexen dereweit. Amuri lernte, was Noraja und Alorunia ihr beibrachten: Den Umgang mit ihrer astralen Kraft, Wege, anders zu sehen als mit den bloßen Augen und Einfluss zu nehmen anders, als mit ihrer Sprache. Sie berichteten ihr von ihren eigenen Geschichten und Abenteuern, von der Gefangenschaft in Al’Anfa, einem Dasein als Sklaven eines Granden, später erfuhr Amuri auch vom Dämonenpaktierer Al’Gorton und einer erbitterten Fehde zwischen ihrem Zirkel und einer Hexe namens Achaz. Als Amuri alt genug dazu war, selbst im Dienste ihrer Schwesternschaft zu reisen, ging es für sie zunächst in den Blautann. Amuri verbrachte einige Monde bei Lucelin, zu der Noraja und ihr Zirkel eine enge Freundschaft pflegt, und lernte einiges über die Gepflogenheiten der Schönen der Nacht. Lucelin, von düsteren Träumen geplagt, schickte Amuri bald aus, ein Bündnis zu schmieden zwischen den Hexen in Weiden und Punin gegen Pardona, gegen Achaz und gegen Glorana - leider hatte Amuri nur wenig Erfolg, dafür wurde sie nun selbst von düsteren Träumen geplagt. Nachdem sie ihr Möglichstes getan hatte, kehrte sie um. Seit einem halben Jahr kämpft Amuri nun bereits gegen die Orks im Nebelmoor. Ihre Gedanken aber kreisen immer wieder um Achaz und die Frage nach ihrem Verbleib und ihren Plänen.
1011 BF, 2.ING
Meine liebe Noraja,
noch immer ringe ich mit mir selbst! Soll ich den Brief abschicken oder nicht? Schließlich will ich nicht, dass Du Dir allzu große Sorgen machst um Deine Tochter. Andererseits soll Dir nicht verborgen bleiben, dass Du eine Basiliskentöterin großgezogen hast - und den Grund dafür kennen, warum nie jemand davon erfahren wird.
Wie ich Dir schon im Traum gezeigt habe, wollte ich mich Alvinia treffen. Sie hatte, Du erinnerst Dich, vorgegeben, die Seiten gewechselt und eingesehen zu haben, dass wir zusammenarbeiten müssen. Die Schlange hat mich jedoch verraten und wollte mich stattdessen, gemeinsam mit Achaz (an dieser Stelle wurde die Feder fest übers Papier gekratzt, sodass es beinahe gerissen wäre), opfern, um an ein mächtiges magisches Artefakt zu gelangen. Man hat mich betäubt und in einen Keller verschleppt, wo ich einem Krötendämonen geopfert werden sollte, der sich von meiner Macht genährt dem Kampf gegen einen Wächter stellen und so gewährleisten sollte, dass die alte Vettel das Artefakt erreichen kann. Kompliziert, ich weiß. Nun, Gwynnas Kunde hat Dich vielleicht schon erreicht: Es handelt sich um den uralten Kessel des Lebens! Oder Kessel der Wiedergeburt. Doch dazu später mehr.
Weil Satuaria eine gütige Göttin ist, befanden sich zur selben Zeit mutige Mannen und eine Frau in ebenjenem Kerker, die dort irgendetwas mit einem Buch zu schaffen hatten, in dem es um das Schwert Leomars ging - Siebenstreich. Angeblich gibt es das Schwert gar nicht. Aber daran glaube ich nicht, ha! Die Recken befragten nämlich diesen unglaubwürdigen Gaugrafen, der ebenfalls mit unten gewesen war und mich opfern wollte, die „schwarzmagische Hexe“, was für ein ausgemachter Unfug, um das Omegatherion zu befreien und es im Kampf gegen die Orken einzusetzen, sowas Kurzsichtiges, da kann ich mir nur die Haare raufen… Nunja, der Gaugraf starb an einer Vergiftung, und es ist ja jetzt auch egal, die waren jedenfalls dort und wollten Diebstahl begehen. Mein Glück! Denn sie halfen mir, meinem Wärter, einem Moha, zu entwischen und kämpften gemeinsam mit mir gegen den Dämonen, einen weiteren Dämonen, der uns in Form eines untoten Raben nach dem Leben trachtete und später auch gegen die treulose Verräterin. Herrje, jetzt denkst Du bestimmt, wo ist meine Amuri da bloß hereingeraten. Aber mach Dir keine Sorgen, es geht ja gut aus, sonst läsest Du diese Zeilen ja nicht.
Nun also werde ich Dir berichten, wie ich, Amuri Vedaju Tuabeni, Tochter Noraja Valerosa Tulabenis und des großen Alrandior, zur Basiliskentöterin wurde! Es beginnt damit, dass diese Alvinia den beiden mutigen Mannen Quin und Irion empfiehlt, sich auf den Boden zu legen, die Nase zu verschließen und nicht zu aufzublicken, weil sie „zu hübsch zum Sterben“ seien. Ein fürchterlicher Pestodem erfüllt bald die stickige Kellerluft und ich spüre, dass ich vergiftet worden bin. Ein gelungener Klarum Purum hilft mir aus der Misere, Alorunia sei dank, die mich diesen Zauber so vortrefflich zu sprechen gelehrt hat. Richtest Du ihr meine Verbundenheit aus? Kälte umgibt uns, als schleppende Schritte sich nähern. Alwinias Lautstärke indes hat sich nicht verändert. Sie hält Abstand. Offenbar sind mindestens zwei Frauen draußen. Doch, nein! Achaz spricht aus einem Spiegel heraus mit Alvinia! Sie scheint selbst gar nicht zugegen zu sein, der Göttin sei Dank.
Was wir dann sehen, verschlägt mir die Sprache. Eine wandelnder Toter! Seine Rüstung verkohlt, als hätte sie im Feuer gelegen, das weiße Banner ist angefressen. Eine schreckliche Wunde klafft an des Mannes Hals, als hätte ihn dort ein Pfeil getroffen. Der Helm ist halb hochgeklappt und wir erkennen einen Rondrageweihten, der in unsere Richtung schlurft. Es ist der Ritter Timorn, den die Helden damals aufgelesen hatten und der Therek mitgenommen hatte, wie ich später erfahren sollte. Er trägt einen Rondrakamm und einen großen Korb, der so entsetzlich stinkt, dass Lucrezia keine Luft mehr bekommt. Ihre Vergiftung kommt nicht schleichend, sondern schlagartig. Blut rinnt ihr Kinn herunter. Ich eile hastig zu Lucrezia und zaubere einen weiteren Klarum Purum. Der Krieger spricht zu Alvinia, während Lucrezia das magische Schwert trägt und es über den Boden schleifen lässt, aus dem Blumen wachsen (eine ominöse Magie), und erklärt ihr, dass der Gaugraf tot ist.
Auch den tapferen Recken Irion muss ich mit einem Zauber vorm Gift retten, während der starke Zwerg Tungdil Alvinia erschlägt. Daraufhin lässt der tote Ritter den Korb fallen und geht auf Tungdil zu. Quin stürzt sodann zum Korb, doch seine Finger rutschen ab, er blickt in den Korb hinein - und erstarrt zur Salzsäule!!! Noraja!!! Ein BASILISK (das Wort ist mehrfach unterstrichen) lauert darin, eine Kreatur des Namenlosen! Sie entsteht, so erfuhr ich später, wenn eine Kröte ein Hahnenei ausbrütet. Sowas passiert ja zum Glück nicht oft. Mit seinem Odem kann der Basilisk töten, mit dem Blick versteinern. Auch sich selbst. Lucrezia sucht in Alvinias Gepäck nach dem Spiegel und sieht, wi-der-lich!, die alte Achaz darin. Tungdil lockt den untoten Ritter unterdessen in die Statuenreichweite, die Statue schlägt zu und der Ritter stirbt. Erneut. Tungdil entreißt dem Leichnam den Wappenrock und wirft ihn über den Korb. Wir fassen den Plan, den Basilisken mit dem Spiegel zu töten. Tungdil hält uns für wahnsinnig, hilft uns aber dabei, Quin rausholen und gibt dann das Schwert weiter an Irion.
Nach einer längeren Diskussion steht unser Entschluss fest, den Basilisken töten zu wollen. Ich schnappe mir den Kopf des widerliche Biestes, nachdem ich mich mit einem starken Armatrutz geschützt habe. Und siehe da, ich werde dennoch vergiftet! Doch es gelingt, das Biest stirbt und Lucrezia schlägt mit Leomars Schwert Erian vor der rechten Statue (die den Kessel bewacht) auf den Boden, Blumen wachsen und sofort tritt die Statue zur Seite. Doch das Zeichen von Xeledon prangt auf dem Boden. Der Spötter der Götter, ein Sohn Hesindes. Ein Spötter ist tatsächlich dort im Raum vor uns, große Ohren hat er und fliegen kann er und er lacht gackernd. Zum Glück ist er schnell passé und Irion trägt mich hin zum Kessel, der so alt ist, wie man eben ist, wenn ein Gott einen erschuf. Er entstand zum Anbeginn der Zeit. Unglaubliche Magie wohnt ihm inne, und ich braue hastig einen kleinen Heiltrank darin, der mich vom Gift befreit. Der Kessel ist riesig. Man könnte locker eine Steinstatue reinstellen, und das tun wir auch, zusammen mit der Krone eine Basilisken (wir hatten gehört, dass man das so machen muss) und plötzlich war Quin wieder lebendig!
Noraja, verstehst Du - was man dort was reinwirft, erwacht wieder zum Leben.
Wir überlegen, was nun zu tun ist. Wir erzählen oben, dass wir hier Schutz gesucht und dann die Hexe gesehen hätten. Der Gaugraf und der Moha lagen da schon tot. Die Hexe hat den Geweihten auf dem Gewissen. Das ist unsere Wahrheit. Kein Wort über den Basilisken. Ritter Dankwulf (oder Dankwart?) und Dragosch von Sichelhofen kommen uns schon entgegen. Lucrezia erzählt, dass die Hexe mit dem wiedererweckten Rondrageweihten unten gestanden hätte und die anderen beiden schon tot gewesen seien.
Gwynna erscheint und steht für mich ein! Mein Falke hat sie über Luzelin gerufen, als Herrscherin des Adelshauses sagt sie, dass dieser Ort für alle Zeiten verschlossen sein muss! Dieser Schwur steht. Wir können Rodenstein verlassen, das jetzt geführt wird von dem von Sichelhofen, der sagt Siebenstreich existiere nicht.
Wie gehen wir nun weiter vor, Noraja? Wir müssen verhindern, dass Achaz an den Kessel gelangt. Ich habe Angst, dass sie sich damit eine Armee züchten könnte. Nicht auszudenken, wenn dieses Artefakt einer Verehrerin der Asfaloth in die dürren spitzen Finger gerät. Bei dem Gedanken wird mir ganz flau im Magen. Vielleicht weißt Du Rat? Gibt es eine Magierakademie, die den Kessel zerstören kann? Doch ich fürchte fast, die Gelehrten würden das Ding lieber erforschen und sich dann stehlen lassen. Ich bin ein wenig ratlos. Wir müssen herausfinden, was Achaz vorhat. Berichte bitte auch Luzelin und verschweig Alrandior die spannendsten Stellen, sonst macht er sich wieder so viele Sorgen.
In Liebe!
Amuri